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Konservative Digitalpolitik?

Ob Digital Services Act (DSA), Cyber Resilience Act oder AI Act: Das Europäische Parlament produziert regelmäßig neue Vorgaben, um den Cyberspace der Mitgliedsstaaten zu regulieren. Im Anschluss an die EU-Wahlen kommt die Frage nach der zukünftigen Digitalpolitik der EU auf. Wird sie konservativer als zuvor?

Europa hat gewählt. In Deutschland wurde die CDU/CSU mit 30 Prozent stärkste Kraft. Auf den zweiten Platz kam die AfD mit 15,9 Prozent, gefolgt von SPD (13,9 Prozent) und Grünen (11,9 Prozent). Von Deutschlands 96 Sitzen im Europäischen Parlament entfallen 30 auf die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP, Christdemokraten), 17 Sitze auf fraktionslose Abgeordnete, 16 Sitze auf die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz (EFA), der auch die noch junge und digitalaffine Partei Volt angehört, die mit fünf Sitzen vertreten ist. 14 Sitze gehen an die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D). Acht Sitze erhält Renew Europe, sieben Sitze gehen an neue Abgeordnete, die keiner Fraktion des bisherigen Parlaments angehörten. Weitere vier Sitze entfallen auf die Linke im Europäischen Parlament (The Left). Die für Netzpolitik bekannte Piratenpartei hat es nicht ins Parlament geschafft.

Auch europaweit erhält die christdemokratische EVP mit 186 von voraussichtlich 720 Sitzen (26 Prozent) die meisten Sitze im Parlament. Es folgt die sozialdemokratische S&D mit 135 Sitzen (19 Prozent). Die liberale Renew Europe erhält rund elf Prozent der Sitze und die rechtspopulistische Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ein weiteres Zehntel. Die rechtsaußen Fraktion Identität und Demokratie (ID) hat mit 58 Sitzen sogar mehr als die zurückgefallenen Grünen/EFA (53 Sitze).

Union will Überregulierung von KI vermeiden

Doch was bedeutet das Wahlergebnis für die künftige Digitalpolitik der EU? Grundsätzlich ist das Parlament verglichen mit der letzten Legislaturperiode konservativer besetzt. Der digitalpolitische Parteiencheck des Bitkom „Bitkomat“ zeigt einige digitalpolitische Positionen der deutschen Parteien auf: Mit Künstlicher Intelligenz (KI) will die Union beispielsweise Wirtschaftswachstum und Fortschritt erreichen und warnt vor Überregulierung. Diese Haltung zeigte sich bereits in der Debatte rund um den AI Act im Europarlament, in den Beiträgen des CDU-Europaabgeordneten Axel Voss. Auch in anderen Bereichen der Digitalwirtschaft will die Union die Regulierung vermindern und Bürokratie abbauen, mitunter durch das One-in-two-out-Prinzip, wonach für ein neues Gesetz zwei alte abgeschafft werden sollen. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist der Union nach reformbedürftig und sollte einfacher und innovationsfreundlicher gestaltet werden. Außerdem wollen CDU und CSU Datenräume und das Teilen von Daten fördern.

Die AfD hat ihren Antworten auf die Thesen des Bitkom keine Erläuterungen hinzugefügt, mit Ausnahme eines Kommentars zum Green Deal, den die Partei „grundsätzlich ablehnt“. Die ID hat sich in der Vergangenheit für den Schutz der freien Meinungsäußerung ausgesprochen, beispielsweise im Rahmen des Digital Services Act. Auch die Fraktion der Konservativen (ECR) hat bislang für ein freies Internet und gegen die „exzessive Löschung von Inhalten“ plädiert, wie Adam Bielan (ECR) in einer Rede erklärte. Die SPD wirbt indes für eine technologische und wirtschaftliche Unabhängigkeit bei digitalen Schlüsseltechnologien.

SPD fordert Stärkung von Datenschutzbehörden

Weiterhin betont die Partei ihren Einsatz für den Schutz vor Cyber-Attacken und den Schutz Kritischer Infrastrukturen. KI-Modelle sollen der SPD zufolge „nach europäischen Werten“ entwickelt und eingesetzt werden. Des Weiteren fordert die SPD eine „umfassende Stärkung“ von Datenschutzbehörden durch finanzielle und personelle Ressourcen. So sollen sie effektiv überwachen und Datenrecht durchsetzen können. Eine Entbürokratisierung der DSGVO lehnt die Partei ab.

Die Grünen sind anderer Meinung: Wie die Union wollen auch sie die DSGVO vereinfachen und damit den „besonderen Bedürfnissen“ von KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) und Start Ups Rechnung tragen. Allerdings betont die Partei, dass für sie „regulatorische Vorsicht und starke Innovationskraft“ Hand in Hand gingen. In Europa wollen die Grünen eine „Infrastruktur-Union“ schaffen, um grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte zu fördern. Im Glasfaserausbau streben sie die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren an.

Rechenzentren, Gigabit und Cloud

Der Verband der Internetwirtschaft eco appelliert aufgrund des Rechtsrucks an die demokratische Verantwortung aller Parteien, bekräftigt die Bedeutung digitaler Infrastrukturen für die Souveränität Europas und für die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft: „Wenn Europa bei hochperformanten Zukunftstechnologien wie KI vorne mitspielen möchte, braucht es Rechenzentren, gut ausgebaute Gigabitnetze und sichere Cloud-Infrastrukturen“, schreibt der Verband auf seiner Website. Weiterhin müsse der Einsatz innovativer digitaler Technologien in Unternehmen gefördert werden. Interoperable Datenräume würden dieses Vorhaben unterstützen.

„Europa muss sich als Innovations- und Technologiestandort behaupten, damit wir asymmetrische Abhängigkeiten von den USA und China schrittweise abbauen und Marktanteile in wichtigen Zukunftstechnologien sichern können“, findet der Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand e.V. (BITMi) und der Europäischen DIGITAL SME Alliance, Dr. Oliver Grün. Er fordert eine „Phase der Entlastung“ für KMU, die in der letzten Legislatur eine hohe Regulierungslast erfahren hätte. Nun müssten die Rahmenbedingungen für Digitalisierung „made in Europe” verbessert und innovationsfreundlicher gestaltet werden.

Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst appelliert: „Die Bundesregierung sollte jetzt alles auf die digitale Karte setzen.“ Schließlich entfalte die Digitalisierung Wirkungen, die unmittelbar bei den Menschen ankämen. Die Stärkung der Wirtschaft, die Modernisierung des Staats und eine leistungsfähige Verwaltung gehörten neben der Förderung gesellschaftlichen Zusammenhalts ganz oben auf die politische Agenda. Wintergerst ist überzeugt: „Digitale Technologien sind hier zumindest Teil, oft sogar Kern der Lösung.“

1 Kommentar

  1. Im Kontext Datenschutz, Künstliche Intelligenz und IT Sicherheit ist Europäische Normensetzung und freiwillige Anpassung das Mittel der Wahl.

    Ja, die Umsetzung von NIS2, CRA, Data Act, AI Act usw. ist anspruchsvoll. Aber erstens sind diese EU Initiativen dem der aktuellen Bedrohungslage geschuldet (das bezweifelt niemand) und zweitens auch eine ordnungspolitische Chance, deren Momentum aus meiner Sicht leider unterschätzt wird. Dazu lohn sich zu lesen “The Brussels Effect” von Columbia Professorin Anu Bradford. – denn die neuen Normen und Gesetze gelten nicht nur für heimische Anbieter, sondern eben auch für Hersteller aus Drittländern.

    Schlussendlich sind Compliance und Sicherheit wesentliche Asset, die gut umgesetzt genau Differenzierung gegenüber internationalen Anbietern schafft. Aus politischer Klarheit und Bekenntnis entstehen dann auch Chancen für Neugründungen.

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