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StartSicherheitQuick Freeze: eine Mogelpackung?

Quick Freeze: eine Mogelpackung?

Dr. Roman Poseck löste Anfang des Jahres Peter Beuth als Hessischer Minister für Inneres, Sicherheit und Heimatschutz ab. Zuvor war er bereits Hessischer Minister der Justiz in der schwarz-grünen Vorgängerregierung. Im Gespräch mit Uwe Proll spricht er unter anderem über die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit der Justiz, den Umgang mit Geldautomatensprengungen und die Folgen der Teillegalisierung von Cannabis.

Behörden Spiegel: Sie waren fast zwei Jahre Justizminister des Landes Hessen, nun sind Sie Innenminister. Wie kann der verfassungsmäßig so wichtige Durchlauf an der entscheidenden Schnittstelle zwischen Polizei und Justiz verbessert werden?

Dr. Roman Poseck: Ich nehme die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz positiv wahr, und das inzwischen aus beiden Perspektiven. Das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer engen Zusammenarbeit ist auf beiden Seiten gegeben, vor allem mit dem gemeinsamen Ziel einer effektiven Strafverfolgung. In den Häusern des Jugendrechts arbeiten Polizei und Justiz beispielsweise gemeinsam unter einem Dach, um Jugendkriminalität effektiv zu bekämpfen. Auch die beiden Minister arbeiten in Hessen höchst vertrauensvoll und eng zusammen. Wir setzen uns beispielsweise beide dafür ein, dass die Sicherheitsbehörden mit modernen Befugnissen, wie der Speicherung von IP-Adressen, ausgestattet werden.

Ich verspreche mir eine noch effektivere Zusammenarbeit durch die elektronische Akte, die in Zukunft eine durchgängige Bearbeitung von der Polizei bis zur Justiz ermöglichen wird. Justiz und Polizei werden aber nicht immer in allen Fällen und in allen Fragen einer Meinung sein. Das ist auch Ausfl uss der Gewaltenteilung. Es ist dann meistens Sache der Justiz, am Ende eine Entscheidung zu treffen.

Behörden Spiegel: Von Seiten der Polizei wird immer wieder beklagt, dass die Staatsanwaltschaften Tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§114 StGB) nicht konsequent genug verfolgen. Fehlt das Bewusstsein auf Seiten der Justiz, dass dies für die Polizei, bis hin zur Traumatisierung, ein schwieriges Feld ist?

Poseck: Zunächst einmal sind die Straftaten gegen Polizeibeamte und gegen andere Einsatzkräfte aufs Schärfste zu verurteilen. Hier muss der Staat in Form von spürbaren und sichtbaren Sanktionen konsequent reagieren. Für Hessen gibt es im Bereich der Staatsanwaltschaften eine klare Erlasslage. Schon zu meiner Zeit als Justizminister habe ich großen Wert darauf gelegt, dass diese Straftaten konsequent verfolgt werden. Das Problem im strafrechtlichen Verfahren liegt nicht selten beim konkreten Tatnachweis. Gerade wenn Taten aus einer Gruppe heraus begangen werden, ist es nicht einfach, aber im Rechtsstaat eben unverzichtbar, individuelle Schuld nachzuweisen.

Behörden Spiegel: Inwieweit können Bodycams in solchen Fällen helfen und gegebenenfalls zur Deeskalation beitragen?

Poseck: Hessen hat die Polizei fl ächendeckend mit Bodycams ausgestattet und unsere Polizisten setzen diese auch ein. Wir haben zwar keine Verpfl ichtung zum Einsatz von Bodycams ausgesprochen, aber ich rate und empfehle den Beamten, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen. Denn damit können im Nachhinein Missverständnisse und Vorwürfe ausgeräumt werden. Die Wirkung der Bodycams darf man auch im Hinblick auf Deeskalation und Prävention nicht unterschätzen, da auch das Gegenüber weiß, dass aufgezeichnet wird.

Meine kommunalen Gesprächspartner haben im Rahmen unserer Innenstadtoffensive gegen Kriminalität immer wieder eingefordert, dass auch die Stadtpolizei die Bodycam verwenden darf. Und dafür möchte ich jetzt auch bald eine gesetzliche Grundlage schaffen. Die Argumente, dass damit sicherere und besser nachweisbare Einsätze der Polizei, bei der Landespolizei und genauso bei der Stadtpolizei, ermöglicht werden, sind überzeugend.

Behörden Spiegel: Neben NRW hat auch Hessen Probleme mit Geldautomatensprengungen. Hier wurde die Allianz gegen Geldautomatensprengung gegründet und die Besondere Aufbauorganisation „effectus“ geschaffen. Auf der anderen Seite reduzieren die Finanzinstitute wegen der relativ teuren Zerstörung der Automaten deren Anzahl und damit die Zugänglichkeit von Bargeld für die Bevölkerung. Wie wollen Sie dieses Problem in den Griff kriegen?

Poseck: Mein Ziel ist es natürlich nicht, dass sich die Banken aus der Fläche zurückziehen. Wir brauchen eine fl ächendeckende Bargeldversorgung und deshalb wird es auch in Zukunft viele Geldautomaten geben müssen. In präventiver Hinsicht kommt es insbesondere darauf an, dass die Banken mitwirken und Schutzvorkehrungen ergreifen, wie das Verfärben oder Verkleben von Geld. Durch die Einrichtung der Allianz Geldautomaten haben wir erreicht, dass die Polizei mit den Banken über Risikoeinschätzungen spricht und beide Seiten versuchen, die Risiken zu minimieren. Wir haben im laufenden Jahr bislang auch deutlich weniger Geldautomatensprengungen in Hessen als im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt. Wir sind also offensichtlich auf dem richtigen Weg.

Daneben geht es aber natürlich auch um Strafverfolgung, denn wir haben es hier mit schwersten Verbrechen der organisierten Kriminalität zu tun. Mein Ziel ist es, dass wir einen anderen Strafrahmen für diese Delikte schaffen. Aus meiner Sicht bedarf es eines zusammengesetzten Delikts aus Sprengstoffexplosion und Diebstahl. Das Mindeststrafmaß sollte sich mit drei oder fünf Jahren Mindeststrafe am klassischen Bankraub orientieren.

Behörden Spiegel: Die meisten Täter kommen aus den Niederlanden. Kann die Einschränkung der Freizügigkeit auch für EU-Bürger innerhalb der EU ein probates Mittel sein – sprich ein Einreiseverbot?

Poseck: Die in Hessen Festgenommenen sind überwiegend niederländische Staatsangehörige mit Migrationshintergrund. Wenn man allein dieses Phänomen betrachtet und potentielle Täter kennt, dann mag ein Einreiseverbot auch ein probates Mittel sein. Allgemein halte ich allerdings die Freizügigkeit in der Europäischen Union für überaus wichtig. Wir dürfen diese nicht vorschnell aufs Spiel setzen. Positiv hervorzuheben ist im Übrigen, die sehr gute Kooperation zwischen den niederländischen und den deutschen Behörden.

Behörden Spiegel: Wie stellt sich die Teillegalisierung von Cannabis in der Praxis dar? Wie gedenken Sie die Grenzwerte für die Teilnahme im Straßenverkehr zu kontrollieren?

Poseck: Zunächst einmal halte ich dieses Gesetz für einen Irrweg in der Grundausrichtung und in der konkreten Ausgestaltung. Wir müssen aber akzeptieren, dass der Bundesgesetzgeber dieses Gesetz geschaffen hat. Die Ampel hat den Ländern und den Kommunen einen gesetzlichen Trümmerhaufen vor die Füße geworfen und wir müssen jetzt sehen, wie wir damit umgehen.

Unser Ziel ist es, das Gesetz rechtstreu, aber auch restriktiv umzusetzen. Im Interesse des Jugendschutzes und der Sicherheit. Deshalb wird es in Hessen umfassende Kontrollmaßnahmen geben. Im Straßenverkehr haben wir damit bereits begonnen, denn es besteht die Gefahr, dass Konsumenten aus der Legalität fälschlicherweise darauf schließen, dass auch das Autofahren im berauschten Zustand legal ist, was selbstverständlich nicht der Fall ist. Die Ampel hat erst kürzlich auch noch die Erhöhung des THC-Grenzwertes beschlossen, was die Verkehrssicherheit zusätzlich gefährdet.

Im Rahmen der letzten Innenministerkonferenz haben wir noch einmal bekräftigt, dass es beim bisherigen Grenzwert aus Gründen der Verkehrssicherheit bleiben sollte. Wir führen in Hessen umfassende Kontrollen durch. Diese sind aufwändig es müssen Urin- und Bluttests durchgeführt werden, aber sie sind im Interesse der Verkehrsteilnehmer unverzichtbar.

Behörden Spiegel: Wie werden in Hessen im Hinblick auf die Durchsetzung der teils kleinteiligen und komplizierten Regelungen die Zuständigkeiten verteilt?

Poseck: Das Innenministerium ist federführend für die Umsetzung des Cannabisgesetzes zuständig. In den vergangenen Wochen haben wir die Zuständigkeiten bestimmt und festgelegt, dass das Regierungspräsidium Darmstadt für das Erlaubnisverfahren der Anbauvereinigungen verantwortlich ist. Die Kreisordnungsbehörden sind für die zeitnahe Erstkontrolle nach Erteilung der Genehmigung und die Folgekontrollen der ortsnahen Anbauvereinigungen zuständig. Und die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten soll auf die Kreisordnungsbehörden und allgemeinen Ordnungsbehörden übertragen werden. Selbstverständlich überwacht die Polizei die Einhaltung der Vorschriften.

Ich bedauere den erheblichen Zusatzaufwand, der hier für die verschiedenen Ebenen entsteht. Wir haben nun wirklich auch im Öffentlichen Dienst wichtigere und drängendere Themen als die Umsetzung dieses missglückten Gesetzes.

Behörden Spiegel: Die Legalisierung gilt auch für Polizeibeamtinnen und -beamten. Wer in seiner Freizeit Cannabis konsumiert, könnte also mit einem Restwert zum Dienst erscheinen, unter Einfl uss Streife fahren oder im schlimmsten Fall sogar die Dienstwaffe einsetzen. Die Gewerkschaften fordern daher Richtlinien zum Umgang mit Cannabis. Ist damit in Hessen zu rechnen?

Poseck: Ein Problem dieser Legalisierung ist, dass der Abbau von Cannabis wesentlich unklarer ist als beim Alkohol. Das macht es im Straßenverkehr schwierig und aber auch in anderen Zusammenhängen. Ich habe sehr viele Gespräche in den letzten Wochen geführt und habe keinen Polizeibeamten getroffen, bei dem ich den Eindruck hatte, dass er diese Teillegalisierung gut fi ndet. Von daher gehe ich nicht davon aus, dass viele Polizisten den Weg gehen werden, die Legalisierung zu nutzen.

Wir sind im Moment dabei, sehr klare Regeln für den Dienstbetrieb zu schaffen. Das bedeutet, dass im Dienst kein Restwert mehr vorhanden sein darf. Von daher setzen wir für den Dienstbetrieb, gerade im Hinblick darauf, dass hier risikogeneigte Tätigkeiten ausgeübt werden, auf eine rigide Linie.

Behörden Spiegel: Bei der Verfolgung von Straftaten schafft die Entschlüsselung der EncroChat- und Sky ECC-Protokolle aufgrund der Qualität und Quantität der Daten vollkommen neue Möglichkeiten. Schafft die Justiz in Hessen die Abwicklung der Datenmengen bevor die Verjährungsfrist abläuft?

Poseck: Die Entwicklung der Straftaten geht auch auf die erfolgreiche Arbeit der Polizei zurück. Polizei und Justiz arbeiten bei diesem Thema eng zusammen. Mir liegen aus der Polizei keine Hinweise darauf vor, dass es bei der hessischen Justiz im Kontext dieser Verfahren zu Engpässen kommt.

Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zu Quick Freeze? Denken Sie, das Verfahren ist mit all seinen staatsanwaltlichen Rückversicherungen, die zusätzlich Zeit und Aufwand kosten, überhaupt umsetzbar?

Poseck: Wo nichts ist, kann auch nichts eingefroren werden. Das ist die einfache Antwort. Egal, ob sie bei der Polizei oder bei der Justiz nachfragen, alle sagen: Quick Freeze ist eine Mogelpackung. An der anlasslosen Speicherung von IP-Adressen für eine begrenzte Zeit zur Verfolgung und zur Verhinderung schwerster Straftaten führt kein Weg vorbei. Das hat zuletzt der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil am 30. April bestätigt und die Speicherung von IPAdressen für die Bekämpfung von Straftaten ermöglicht. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie nun endlich eine taugliche Gesetzesgrundlage schafft. Es ist gerade vor dem Hintergrund der aktuellen terroristischen Bedrohungslage und der Kriminalitätsentwicklung unerlässlich, dass wir unsere Behörden mit den modernen und wirkungsvollen Befugnissen ausstatten. Unsere Sicherheit muss oberste Priorität haben.

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