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Was noch zu tun ist

Seit 2006 existiert der Nationale Normenkontrollrat (NKR) und mit ihm die Selbstverpflichtung der Bundesregierung, die Folgekosten gesetzlicher Maßnahmen ehrlich zu bilanzieren, Bürokratie abzubauen und die Qualität der Gesetzgebung zu verbessern. Diese Selbstverpflichtung besteht fort. Im Schatten der Zeitenwende sprach der Bundeskanzler davon, wie wichtig es sei, den „bürokratischen Mehltau“ abzuschütteln, der sich lähmend über das Land gelegt habe. Der NKR erreicht in diesem Jahr die Halbzeit seiner vierten Amtsperiode. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Die Folgekosten aus Gesetzen steigen Jahr für Jahr; zuletzt um 9,3 Milliarden Euro. Es wundert nicht, dass der Bürokratieabbau ins Zentrum vieler Debatten rückt. Auch die Politik spricht immer öfter davon, endlich verstanden zu haben. Im Zentrum der Bemühungen steht das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV). Nachdem schon der Entwurf eine knappe Milliarde Euro an Entlastungen enthielt, wollen die Regierungsfraktionen im Bundestag noch eine Schippe drauflegen. Zwar kann sich das Ergebnis sehen lassen. Zusammen mit dem Wachstumschancengesetz wird sich ein Gesamtentlastungsbetrag von über drei Milliarden Euro ergeben. Doch wie schnell ist dieser wichtige, mühsam vom Bundesjustizminister herbeikoordinierte Puffer wieder aufgebraucht, wenn allein die Nachhaltigkeitsberichterstattung jährliche Kosten von mindestens 1,6 Milliarden Euro verursachen wird?

Die Bürokratiebremse braucht mehr Wumms

Angesichts des stark gestiegenen Erfüllungsaufwands der vergangenen beiden Jahre plädiert der NKR dafür, dass punktuelle Interventionen wie das BEG IV – so wichtig sie sein mögen – bis zum Ende der Legislatur durch weitere strukturelle Maßnahmen flankiert werden. Bürokratieabbau darf nicht die rühmliche Ausnahme bleiben, sondern muss zum ständigen Regelfall werden. Der NKR fordert deshalb, die bestehende „One in one out“-Regel, wonach eingehende Belastungen an anderer Stelle wieder kompensiert werden müssen, als dauerhafte Bürokratiebremse deutlich zu schärfen. So sollte die Belastung aus EURichtlinien miterfasst werden, denn die 1,6 Mrd. Euro der EU-bedingten Nachhaltigkeitsberichterstattung bleiben derzeit außen vor. Auch der einmalige Umstellungsaufwand, der bei der Einführung neuer Regelungen entsteht, müsste in „One in one out“ einfließen. Um bürokratische Aufwände ganzheitlich zu deckeln, sollten auch Aufwände für Behörden sowie Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden.

Mehr Raum für Praxischecks

Hinzu treten Bemühungen, die Qualität von Gesetzen zu verbessern. Mit dem Digitalcheck hat die Bundesregierung ein für alle Bundesministerien geltendes Instrument eingeführt, das Gesetzentwürfe von Hemmnissen für den digitalen Vollzug befreien soll. In Ergänzung führt das Bundeswirtschaftsministerium Praxischecks durch. Zusammen mit Vollzugsexperten und Betroffenen wird der Rechtsbestand sehr tiefgehend, auf allen Verwaltungsebenen und aus Sicht der Praxis analysiert, um jenseits fachlicher Zuständigkeiten Hindernisse, z. B. für den Ausbau von Photovoltaikanlagen, abzubauen. Praxis- und Digitalcheck zu verbinden, ausreichend Zeit und Raum für die Einbindung der Betroffenen zu gewähren und diese Vorgehensweise zum Standard guter Gesetzgebung zu machen, muss Priorität bis zum Ende der Legislatur haben. Dazu gehören die Pflicht und Befähigung der Ressorts, so zu arbeiten – durch Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung und das breite Angebot an Schulungen und Unterstützung, z. B. durch das geplante Zentrum für Legistik.

Warten auf den angekündigten Föderalismusdialog

Jenseits der Rechtsetzung braucht es praktische Bemühungen zur Vereinfachung von Recht und Vollzug. Der Pakt von Bund und Ländern zur Beschleunigung von Planungsund Genehmigungsverfahren zielt auf die Halbierung der Genehmigungszeiten. Anzuerkennen ist der weitreichende Anspruch, ebenenübergreifend zu denken und gemeinsam zu handeln. Allerdings zeigt sich auch, dass noch mehr Beschleunigung nur mit der Neustrukturierung von Zuständigkeiten einhergeht. Im Koalitionsvertrag war ein Föderalismusdialog angekündigt worden. Bei der Ankündigung ist es geblieben. Aus Sicht des NKRs braucht es eine Debatte darüber, an welchen Stellen Aufgaben, Recht und Technik stärker gebündelt, harmonisiert und standardisiert werden sollten. Mit den Dresdner Forderungen gibt es dafür schon lange einen Impuls von kommunaler Ebene. Er stellt die Frage, wie die Verwaltungsdigitalisierung dadurch beschleunigt werden kann, dass Aufgaben anders über die föderalen Ebenen verteilt werden. Die Hängepartie der OZG-Novelle in Bundesrat und Vermittlungsausschuss zeigt jedoch, wie schwer es ist, hier neue Wege einzuschlagen. Gleiches gilt für die ebenso wichtige Registermodernisierung, derenzügige und spürbare Umsetzung weiter auf sich warten lässt.

Bürokratieabbau ist Kernerarbeit. Aus den bestehenden Einzelinitiativen eine ambitioniertere Strategie zu formen, ist bis zum Ende der Legislatur machbar und sollte Anspruch der gesamten Bundesregierung sein. Ausführlicher Bilanz zieht der NKR im Oktober, bei der Veröffentlichung seines Jahresberichts – auch mit weiteren Vorschlägen zum Bürokratieabbau.

Der Autor des Gastbeitrags ist Hannes Kühn, Leiter im Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrats (NKR).

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